Ich möchte für immer hier sitzen bleiben, nachdenken und
schreiben. Draußen ist eine Hitze mitten im Oktober. Inzwischen müsste jedem klar sein
das man nicht ewig Bäume fällen kann. Obwohl diese Sonne im
Oktober ja auch was Schönes hat. Licht zum
Beispiel. Viel Licht für unsere müden Knochen, eins A Vitamin D.
Ich sollte mich kurz auf den Balkon setzen. Ein bisschen Licht
würde mir gut tun. Aber ich muss jetzt aufhören zu schreiben und endlich
anfangen aufzuräumen. Da liegt eine nasse Schlafanzughose auf dem
Dielenboden neben dem
Bett meines Sohnes und sofort mache ich mir Sorgen über die Seelenlage meines
Sohnes. Geht es ihm gut, frage ich mich. Hätte ich ihn gestern
lieber nicht mit in dieses Helloweengeschäft nehmen sollen? Diese
blutigen Fratzen, Totenköpfe, dieser ganze blutverschmierte Firlefanz.
Oder liegt es daran das er in der Schule Ärger hat? Die „Zweitis“, sagt er,
seien gemein. Sie würden immer grundlos alle „Erstis“ verprügeln.
Die „Viertis“ und„Fünftis“ seien ganz OK. Außerdem habe die Klassenlehrerin
ihm mitgeteilt, er käme in eine andere Klasse, wenn er nicht bald
„Kücken“ schreiben kann. Seid wann muss man in der ersten
Klasse schreiben und lesen können? Aber diese Woche, so er,
stehe er nicht an der Tafel. Was soll das heißen, frage ich. Die
Namen der Kinder welche die Woche über nicht gut mitgearbeitet
haben, oder sonst wie schlecht aufgefallen sind stehen an der
Tafel. Und weiter frage ich. Nix weiter sagt er, die bekommen halt
keine Süßigkeit aus der Schüssel. Schüssel, was für eine Schüssel?
Mein armer Junge denke ich, wird in der ersten Klasse schon so
dermaßen unter Druck gesetzt, das er zur Belohnung für sein
vieles Lernen unbedingt ein „Transformersauto“ haben muss. Die
beanspruchten Nerven liegen blank, was zu unvorhergesehenen
Weinanfällen oder zum extrem Schlechtgelaunt sein führt.
Willkommen im Kapitalismus. Willkommen in der
Leistungsgesellschaft. Das kann doch wohl alles nicht wahr sein.
Ich muss einen Termin mit der Lehrerin vereinbaren. Aber vorher
muss ich aufräumen, einkaufen, Steuerunterlagen
zusammensuchen, meine Mutter anrufen, meine Nägel schneiden
und das Klopapier, ich darf das Klopapier nicht vergessen!
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