Es ist frustrierend 4 Stunden im Kino zu sitzen und am Ende des
Abends mit nichts als schlechter Laune ins Bett zu gehen. Ich hätte
ein Buch lesen können. Ich hätte baden können. Der Taxifahrer zu
dem ich um 2 Uhr morgens nach der Premierenparty
völlig erschöpft und unter Bauchkrämpfen ins Taxi stieg hat mir
meinen Zustand sofort erklärt. Es gibt körperliche, geistige und
ästhetische Grenzen hat er gesagt. Je älter man wird desto
weniger hält man aus. Die Premiere eines deutschen vorzeige
Regisseurs machte seinem Titel alle Ehre. Was war das für ein
Drehbuch? Nichts als Gefühlsduselei alternder Männer. Eine art
Heimatfilm. Der Versuch ein Stück deutsche Geschichte mit einer
Künstlerbiographie zu verwursten ist grandios gescheitert. Das
ganze hätte als Zweiteiler ins Fernsehen kommen sollen. Ein
typisch Deutscher Film, steif und humorlos, bei dem die Figuren
geschminkt und mit Frisur, wie leblose, geschichtenlose Geister
umherirren, oder auf ihrer Markierung stehen und ihren Text
aufsagen. Vorhersehbare immer wiederkehrende Bilder die in
einen geschmacklosen Pathos gipfeln. Dieser „große“ Regisseur
hat versucht eine Geschichte zu erzählen, aber das reicht nun mal
nicht aus. Jean Renoir hat einmal gesagt: „Die Kinokaufleute glauben
den Publikumsgeschmack zu kennen; in Wirklichkeit kennen sie ihn
überhaupt nicht, ich übrigens auch nicht. Der Irrtum rührt daher das die
Leute glauben, man verkaufe eine Geschichte. In Wirklichkeit verkauft
man aber die Persönlichkeiten des Autors und der Schauspieler…“ Ein
konservativer netter Mann, hat einen konservativen netten Film
gedreht, der ihn 4 Jahre seines Lebens und uns mindestens
Dreieinhalbstunden kostet. Unter apokalyptischen Gedanken an
den deutschen Film finde ich, weiß der Himmel wie, endlich um 3
Uhr Morgens in den Zustand äußerster Ruhe. Ich schlafe. Aber die
Fassungslosigkeit ist drei Stunden später beim Schulbrot
schmieren meines Sohnes immer noch nicht verschwunden. Wie
kann das sein, dass soviel Geld für so einen Blödsinn
ausgegeben wird? Es könnte natürlich auch an meinem
Schlafmangel liegen, ich bin wirklich hundemüde, aber in mir
steigt eine Wut auf. Vom Fernsehen fange ich gar nicht erst an zu
sprechen. Das Ding ist für mich durch. In jeder Form einer
Partnerschaft muss es einen Mehrwert geben, sonst könnte man ja
auch alleine bleiben, hat mir mal ein Paartherapeut erklärt. Wo er
Recht hat, hat er Recht. Es gab sie auch, die guten Momente, kurze
Lichtblicke, aber die waren so selten. Ich muss da jetzt endlich mal konsequenter sein.
Ich mache Schluss. Zumindest zunächst einmal.
Später als ich meinen Sohn vor der Schule
verabschiede und ihm seinen viel zu schweren Schulranzen
aufziehe fragt er mich, ob ich traurig sei? Ja, ein bisschen, aber
nicht wegen dir, sage ich. Schauen wir nachher einen Film
zusammen fragt er mich? Ja, aber keinen deutschen. OK, sagt er.
Ich laufe mit tiefen Augenringen und schlurfenden Schritten in
Richtung zu Hause und denke zum Glück gibt es ja noch die alten
Meister: Bergmann, Resnais, Malle, Lang, Fellini, Renoir,
Hitchcock, Antonioni und die Liste geht noch weiter. Der Gedanke
lässt mich einmal tief durchatmen und ein kleines Lächeln legt
sich auf meinen verkniffenen Mund.