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AutorenbildAlinaB77

Ein Abend in der Bar jeder Vernunft

Aktualisiert: 8. Jan. 2019


Ich sage in die Runde. Ich war gestern bei Georgette Dee in der

Bar jeder Vernunft, das war ganz toll. Meine Hand wandert

ungefragt auf mein Herz. Super, sagen die Leute und wer ist

Georgette Dee? Ihr kennt Georgette Dee nicht? Nein sagen die

Leute und machen weiter mit dem was sie zuvor gemacht haben,

nämlich nicht zu zuhören. Ich sage, Georgette Dee ist eine

Künstlerin, ein Mann der mehr von der Frau und der Liebe

versteht als ihr alle zusammen. Fragende Blicke, einer gibt einen

Tsss- Laut von sich. Ich erzähle von dem Abend. Ich sage dort

vorne auf der Bühne stand, sang und redete ein Mensch, der

wirklich etwas erfahren hat, vor dessen Hingabe zum Leben und

der Liebe und dem Mut das zu veräußern ich nur staunen und

mich niederknien möchte. In das unterdrückte Gähnen einer

meiner Freunde hinein rede ich einfach weiter. In dieser kühlen,

durchtechnisierten, moralischen Regelbetriebsumgebung, in der

alle nur noch seelenlos funktionieren, keiner mehr weiß wo oben

und unten ist, in der sich jeder vor sich selber und den anderen

versteckt, jeder zu jeder Zeit die Kontrolle haben möchte, in der

eine Gefühlsregung gleich kommt mit der Gefahr eines steilen

Abhangs vor der Haustür, in dieser Eiseskälte all überall, kam mir

der Abend, wie eine zweistündige Umarmung vor. Die Leute

verdrehen ihre Augen. Wirklich sage ich mein Körper wurde

warm, also meine Füße die eigentlich immer... Ja, ja, sagen die

Leute komm mal zum Punkt! Für Zwei Stunden fühlte ich mich

aufgehoben mit meinen Geheimnissen, meinen wenn auch nur

erdachten Leidenschaften meinen Gefühlen die ich manchmal

nicht verstehe und oft genug unterdrücke, weil ich im Grunde

ganz einfach dazu gehören will zu dieser Gesellschaft die uns alle

zu Schafen macht, jeder von euch ist übrigens nix anderes als ein

Schaf. Oder in den Worten von Wilhelm Genanzino:„ Heute kann

kein Mensch mehr den Druck gesellschaftlicher Verhältnisse

widerstehen. Sie fegen über ihn hinweg und vernichten ihn. Sie

lassen ihn gesichtslos, namenlos, lediglich als ihr Instrument

zurück.“ OK, sagen die Leute und so etwas wie eine Ratlosigkeit

macht sich in ihren Gesichtern breit. Unter all meinen unzähligen

Pseudoschichten, redete ich einfach weiter, gibt es etwas

unkontrollierbares, eine Art Tierchen das ganz pathetisch,

bedürftig, sinnlich, sexuell und wahnsinnig naiv ist. Das muss es in

euch doch auch geben? Es sprang mich an diesem Abend etwas an,

in mich hinein, sorgte für Wirbel streichelte mein Tierchen und

das Schnurren das konnte ich aus den tiefsten Tiefen meines

Bauches spüren, das war sehr angenehm. Vielleicht ist es auch die

Mischung aus Intellekt und Leidenschaft, diese zwei Pole die im

dauer Kriegszustand liegen und wir wissen alle wer am Ende das

Rennen macht... Aber wie Georgette Dee diesen Zustand aufleben

lässt und dabei singt und ihre weißen Haare aus ihrer hohen

Männerstirn schiebt ist einfach göttlich. Das ist doch schön, sagen

die Leute, dann schreib doch einen Text darüber. Das mache ich

auch sage ich. Trotz einer kleinen Überwindung drücke ich zum

Abschied jeden einzelnen von ihnen ganz fest an mich als wäre es

das letzte mal. Dann gehe ich noch ein Paar Schritte an der Spree

entlang, und versuche mit einem Blatt das auf dem Wasser treibt

Schritt zu halten, aber ich bin zu langsam, oder die Strömung ist

zu stark. Ich könnte jetzt mit einem gewagten „Köpper“ ins

Wasser springen, aber „Das tut man nicht!“.


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